Stellungnahme zum Regierungsentwurf der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie vom 30.05.2016

21.07.2016

Gern nutzen wir die Möglichkeit, zu dem Ende Mai 2016 vorgelegten Entwurf einer Neuauflage der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie 2016 Stellung zu nehmen. Wir teilen die im Entwurf getroffene Einschätzung, dass sich die globalen Herausforderungen nur gemeinsam bewältigen lassen. Wir begrüßen es daher sehr, wenn die Neuauflage der Nachhaltigkeitsstrategie unter Einbeziehung der Bewertung aller relevanten Akteure erfolgt.
Als Bundesverband der Agrargewerblichen Wirtschaft e.V. (BVA) vertreten wir etwa 85 Prozent des privaten Agrarhandels. Unsere Mitglieder sind mittelständische, größtenteils familiengeführte Unternehmen, die im Wesentlichen mit pflanzlichen Erzeugnissen und landwirtschaftlichen Betriebsmitteln handeln. Sie bereiten die von der Landwirtschaft gelieferten Agrarrohstoffe wie Getreide und Ölsaaten qualitativ durch Trocknung und Reinigung auf und vermarkten diese Produkte als Nahrungs- und Futtermittel im In- und Ausland. Darüber hinaus vertreiben sie sowohl Saatgut als auch Pflanzenschutz- und Düngemittel an die Landwirtschaft. In diesem Kontext ist auch die Logistik ein wesentliches Thema für unsere Mitglieder.

DIE HERAUSFORDERUNG ANNEHMEN

Wir alle müssen uns die Frage stellen, in welchem Zustand wir die Welt an die kommenden Generationen weitergeben wollen. Angesichts der globalen Dimension des Themas begrüßen wir es sehr, dass sich der vorliegende Entwurf der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie an den globalen Zielen der im September 2015 auf dem UN-Gipfel in New York verabschiedeten „Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung“ orientiert. Vor dem Hintergrund des teilweise ambitionierten Zeitrahmens der „Agenda 2030“ möchten wir darauf aufmerksam machen, dass die Bundesregierung nicht auf schnellen Aktionismus setzen, sondern sich Zeit nehmen sollte, die Wege zu den gesteckten Zielen langfristig und im gesellschaftlichen Konsens auszubauen. Für diesen Prozess sollte die Wirtschaft noch stärker eingebunden werden.

GEMEINSAM MIT DER WIRTSCHAFT

Eine nachhaltige Entwicklung in Deutschland kann nur gelingen, wenn alle Beteiligten einen Beitrag leisten. Die Wirtschaft bildet, wie der Entwurf richtigerweise anführt, die Grundlage für den Wohlstand in Deutschland und damit insbesondere für den sozialen Aspekt der Nachhaltigkeit. Der Agrarhandel trägt vor allem in ländlichen Regionen über die Sicherung von Arbeitsplätzen zur Lebensqualität der Menschen bei und wirkt damit einer Abwanderung in Ballungsräume entgegen. Aktuell werden in Deutschland rund 950 privatwirtschaftliche und genossenschaftliche Agrarhandelsunternehmen mit insgesamt 80.000 Mitarbeitern betrieben. Um diese Strukturen zu erhalten, ist es essentiell, dass die Ökonomie und der Erhalt der Grundlagen des wirtschaftlichen Erfolges das Fundament für alle Maßnahmen der Bundesregierung bilden.

ERNÄHRUNGSSICHERHEIT SCHAFFEN

In der gesellschaftlichen Diskussion und auch in der vorgelegten Nachhaltigkeitsstrategie wird der Schwerpunkt auf den ökologischen Aspekt der Nachhaltigkeit gelegt. Im Jahr 2050 werden mehr als neun Milliarden Menschen auf der Welt leben. Um deren Nahrungsmittelbedarf und die mit wachsendem Wohlstand steigenden Ansprüche zu decken, muss die Produktion bis dahin um rund zwei Drittel gesteigert werden. Die dafür verfügbare landwirtschaftliche Nutzfläche bleibt bestenfalls gleich groß. Derzeit verringert sie sich jährlich durch Bodendegradation, Desertifikation und Flächenverbrauch. Eine effiziente Nutzung und Ertragssteigerung auf den vorhandenen Flächen ist daher zwingend geboten. Die Flächeneffizienz ist damit ein wichtiger Indikator für die nachhaltige Nutzung der begrenzten Ressource Boden, der als solcher in das neue Indikatorensystem der Nachhaltigkeitsstrategie aufgenommen werden sollte. Zudem existieren weltweit große Unterschiede in der Verteilung der landwirtschaftlichen Nutzflächen, dem Niveau der Bodenfruchtbarkeit und den klimatischen Bedingungen. Es ist daher unverzichtbar, auch in Regionen mit hoher Produktivität, wie bspw. Deutschland, einen Beitrag zur notwendigen Produktionssteigerung zu leisten. Dafür muss das vorhandene Ertragspotential unter Einsatz moderner Technologie bestmöglich genutzt werden. Dazu gehören unter anderem der Einsatz standortangepasster Sorten sowie die zielgerichtete Anwendung von Pflanzenschutz- und Düngemitteln. Als erster Ansprechpartner für die Landwirtschaft vermittelt der Agrarhandel seinen Kunden umfassendes Wissen zu diesen Bereichen sowie zu technischen Innovationen. Er leistet damit einen wichtigen Beitrag zum Ressourcenschutz. In diesem Zusammenhang setzen wir uns dafür ein, dass die Ziele zur nachhaltigen Landbewirtschaftung, wie bspw. die Verringerung des Stickstoffüberschusses, so ausgestaltet werden, dass sie die Produktion von Qualitätsgetreide in Deutschland nicht gefährden.

GLOBALE NACHHALTIGKEIT DURCH HANDEL

Um der weltweiten Ungleichverteilung von Produktion und Bevölkerung zu begegnen, ist ein dauerhafter überregionaler Ausgleich von Angebot und Nachfrage unverzichtbar. Dementsprechend wird für eine globale Ernährungssicherung neben einer stabilen und effizienten Landwirtschaft auch ein funktionierender Agrarhandel benötigt. Deutschland ist im Bereich der landwirtschaftlichen Produktion ein Gunststandort. Daraus ergibt sich die Verpflichtung, einen angemessenen Anteil der Verantwortung für die Ernährungssicherung weltweit zu übernehmen. Dieser Verantwortung kommt der Agrarhandel durch die weltweite Vermarktung von Qualitätsgetreide nach. Darüber hinaus trägt der deutsche Agrarhandel mit einer optimalen Gestaltung der Lagerhaltung und der damit verbundenen Minimierung der Nachernteverluste zur Ernährungssicherung bei.

Aufgrund seiner Mittler- und Beraterfunktion zwischen Landwirtschaft und weiterverarbeitendem Gewerbe, ist der Agrarhandel kompetenter Ansprechpartner zu allen Aspekten des agrarpolitischen Leitbildes in der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie. Gern bringen wir diese Kompetenz in den weiteren Nachhaltigkeitsdialog ein.