Positionspapier: Bereitstellung von Düngeprodukten mit CE-Kennzeichnung

02.06.2016

Vorschlag der EU-Kommission zur „Verordnung mit Vorschriften für die Bereitstellung von Düngeprodukten mit CE-Kennzeichnung“

1. Einleitung

Der Bundesverband der Agrargewerblichen Wirtschaft e.V. (BVA) ist die Interessenvertretung des privaten Agrarhandels in Deutschland. Der BVA für 85 Prozent des privaten Agrarhandels in Deutschland. Die Mitgliedsunternehmen bereiten die von der Landwirtschaft gelieferten Agrarrohstoffe, wie Getreide und Ölsaaten, qualitativ durch Trocknung und Reinigung auf und vermarkten diese Produkte als Nahrungs- und Futtermittel im In- und Ausland. Zudem vertreiben sie sowohl Saatgut, Pflanzenschutz- und Düngemittel als auch Futtermittel an die Landwirtschaft.

Der BVA begrüßt grundsätzlich, dass die EU-Kommission nach langjährigen Diskussionen einen Vorschlag für ein neues europäische Düngerecht zur Ablösung der geltenden Düngemittelverord-nung EU 2003/2003 vorgelegt hat. Der Einbezug von organischen und organisch-mineralischen Düngemitteln wird ebenfalls befürwortet. Als Ziel steht eine europaweite Harmonisierung des EU-Düngemittelrechts mit praxisorientierten Anforderungen an Produktqualität und Produktsicherheit im Vordergrund. Dabei sollten vergleichbare Anforderungen auch für andere, bisher nicht erfasste Nährstoffquellen, wie die organischen und organisch-mineralischen Düngeprodukte aus Reststoffen und Sekundärrohstoffen, gelten.

2. Inhaltliche Aspekte

2.1 Pflichten der Händler
Der BVA befürwortet, dass Händler die Vorschriften der Verordnung mit der nötigen Sorgfalt (§9) beachten müssen. Händler können überprüfen, ob die nach dieser Verordnung erforderlichen Informationen vollständig vorliegen. Sie können jedoch nicht die nach dieser Vorschrift erforderlichen Informationen oder die Angaben auf dem CE-Label auf Richtigkeit überprüfen.

2.2 Umstände, unter denen die Pflichten der Hersteller auch für Einführer und Händler gelten
§ 10 des Verordnungsentwurfs sieht vor, dass Händler, die Düngemittel unter ihrem Namen oder ihrer eigenen Marken in Verkehr bringen oder ein bereits auf dem Markt befindliches Düngeprodukt mit CE-Kennzeichnung so verändern wollen (Mischprodukte), dass die Konformität mit den Anforderungen dieser Verordnung beeinträchtigt werden kann, den Pflichten eines Herstellers unterliegen. Der BVA lehnt diesen Vorschlag ab. Mischdüngemittel werden zu dem Zweck hergestellt, eine optimal auf die Bedürfnisse der jeweiligen Pflanze abgestimmte Nährstoffversorgung sicherzustellen. Wenn Mischdüngemittel, die aus bereits CE-gekennzeichneten Einzeldüngemitteln bestehen, ihrerseits CE-zertifiziert werden müssen, werden Händler und Landwirte auf herkömmliche, zugelassene Standard-Mehrnährstoff-Dünger zurückgreifen. Dadurch kann es zu einer ungenauen, im Zweifel auch höheren Versorgung der Nutzpflanzen mit Nährstoffen als erforderlich kommen. Unabhängig davon wird die Charakteristik eines Mischdüngemittels nicht dadurch verändert, wenn es aus CE-gekennzeichneten mischfähigen Einzeldüngemitteln besteht. Ebenso wenig hat es Einfluss auf die Charakteristik eines Produkts, wenn es unter dem Namen des Händlers oder dessen Marke in Verkehr gebracht wird.

2.3 Grenzwerte für Cadmium in Phosphatdüngern
Die Europäische Kommission schlägt eine progressive Reduktion der Cadmium-Grenzwerte in Phosphatdüngern vor. Der zulässige Cadmium-Höchstwert soll mit Anwendung der Verordnung auf 60 mg/kg P205 festgelegt werden. Drei Jahre später soll er nach Vorschlag der Kommission auf 40 mg/kg P205 und nach 12 Jahren auf 20 mg/kg P205 gesenkt werden. Dieser Wert wäre definitiv zu niedrig und würde den Düngemittelhandel in Europa vor massive Probleme stellen. Mit Blick auf Phosphat-Dünger ist die EU bereits jetzt hochgradig abhängig von importiertem Phosphatgestein, dass außerhalb der EU abgebaut wird (über 90 Prozent der in der EU genutzten Phosphatdünger werden importiert, überwiegend aus Marokko, Tunesien und Russland). Bei einem zulässigen Cadmium-Höchstgrenzwert von 40 oder 20 mg/kg werden Hersteller und Händler gezwungen, das Roh-Phosphat überwiegend aus russischen Minen zu beziehen. Dies würde die bereits vorhandene Abhängigkeit des Europäischen Agrarmarktes (von im Wesentlichen einem Land) nur noch vertiefen. Der Cadmium-Anteil des in russischen Minen gewonnenen Phosphats liegt bei annähernd null Prozent, sodass in russischen Minen das weltweit reinste Rohphosphat abgebaut wird. In Marokko, dem weltweit größten Phosphat-Versorger, ist die Verunreinigung des Roh-Phosphats mit Cadmium am größten. Auch wenn Marokko und andere Phosphat-Produzenten Nordafrikas Techniken zur Reduzierung von Cadmium in Roh-Phosphaten entwickeln, wird diese daraus gewonnene Ware voraussichtlich erst in einigen Jahren auf dem Markt angeboten werden. Infolge des aufwendigen Reinigungsprozesses ist darüber hinaus mit deutlich höheren Kosten zu rechnen.

Der Vorschlag der Cadmium-Reduktion basiert auf einer Studie des Scientific Committee on Health and Environmental Risks (SCHER) aus dem Jahre 2002. Nach neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen von SCHER selbst (November 2015, Final Opinion on new conclusions regarding future trends of cadmium accumulation in EU arable soils) ist keine Anreicherung von Cadmium im Durchschnitt der EU-Nutzflächen zu erwarten, wenn die verwendeten Düngemittel einen Cadmium-Höchstgehalt von 80 mg/kg nicht überschreiten.
Vor diesem Hintergrund sieht der BVA keine zwingende Notwendigkeit zur Verringerung des Cadmium-Höchstgehaltes unterhalb von 80 mg/kg P205, könnte jedoch auch einem Höchstwert von max 60 mg/kg P205 und einem Verzicht auf die weitere Reduzierung dieses Grenzwertes zustimmen.

2.4 Sicherheit und Qualität neuartiger Düngemittel muss gewährleistet sein
Durch die neue EU-Düngemittelverordnung ist mit einer deutlichen Zunahme von Düngemitteln aus Bio-Abfall und Sekundär-Rohstoffen auf dem europäischen Markt zu rechnen. Vor allem die Betrachtung möglicher Düngemittel aus organischen Reststoffen, etwa Bio-Abfall, Kompost oder Klärschlamm, darf nicht nur auf den Gedanken der Kreislaufwirtschaft und die Versorgung mit Nährstoffen aus eigenen Quellen reduziert werden.

2.4.1 Schwermetalle / pharmazeutisch und endokrin wirksame Substanzen
Der Einsatz dieser Düngemittel birgt je nach Herkunft des Ausgangsmaterials durchaus die Gefahr, dass neben Schwermetallen (z.B. Blei, Chrom, Cadmium, Nickel, Quecksilber usw) auch eine Kontamination mit organischen Schadstoffen und pharmazeutisch wirksamen Substanzen vorliegen kann. Vor allem bei so genannten Siedlungsabfällen wie Klärschlamm oder Bio-Abfall-Kompost kann das Risiko nicht ausgeschlossen werden, dass Reste von Haushaltschemikalien, Arzneimitteln oder hormonell wirkenden Subtanzen (z.B. Anti-Baby-Pille) das Substrat belasten und durch die Ausbringung ungewollt in das Ökosystem Acker und schließlich in den Nahrungskreislauf des Menschen gelangen.
Daher regt der BVA, neben zulässigen Höchstwerten für Schwermetalle (Cadmium, Zink, Kupfer, Blei, Nickel, Chrom, Quecksilber) auch für aus organischen Reststoffen gewonnene Düngemittel strenge Grenzwerte für pharmazeutisch und endokrin wirksame Substanzen sowie organische Schadstoffe festzulegen.

2.4.2 Seuchen- und phythohygienische Risiken
Organische Düngemittel wie Gülle jeglicher Art stellen zweifelsohne eine wichtige Quelle mit pflanzlichen Nährstoffen dar. Das Eintragsrisiko von Pathogenen fäkalen Ursprungs in die Nahrungskette ist unter bestimmungsgemäßer Verwertung zwar gering. Ein erhöhtes Risiko liegt jedoch dann vor, wenn organische Düngemittel 1. überbetrieblich und 2. über Landesgrenzen hinweg eingesetzt und dadurch neue mögliche Infektionsketten geschaffen werden können. Darüber hinaus ist ein Transfer von Tierarznei- und Reinigungsmittelbestandteilen sowie antibiotikaresistenten Keimen nicht auszuschließen.
In vielen landwirtschaftlichen Betrieben wird eine so genannte kombinierte Düngestrategie mit organischen und mineralischen Düngemitteln verfolgt. Auf Grund des chemischen Prozesses sind Nährstoff- aber auch Schadstoffgehalte und Wirkungsweisen mineralischer Düngemittel eindeutig ausgewiesen. Für Düngemittel organischer Herkunft hingegen ist eine exakte Bestimmung auf Grund der natürlichen Variabilität kaum möglich. Hinzu kommen oben beschriebene Risiken, die bei einer Zulassung eines jeden EU-Düngemittels zwingend zu beachten sind. Der BVA fordert aus diesen Gründen strengste Zulassungsbedingungen mit entsprechenden Grenzwerten und Kontrollen auch für organische und organisch-mineralische Düngemittel.

2.4.3 Makroskopische Verunreinigungen
Für organische Düngemittel wie Kompost hält die Europäische Kommission einen Grenzwert für makroskopische Verunreinigungen in Form von etwa Glas-, Metall- und Plastikteilen, die größer als 2 mm sind, von maximal 5 g/kg Trockenmasse für angemessen. Nach fünf Jahren der Anwendung dieser Verordnung soll der Grenzwert auf 2,5 g/kg reduziert werden. Diese Werte sind völlig inakzeptabel. Die deutsche Verordnung über die Verwertung von Bioabfällen auf landwirtschaftlich, forstwirtschaftlich und gärtnerisch genutzten Böden (BioAbfV) erlaubt es, in Abhängigkeit des Verunreinigungsgrades des Komposts mit Schwermetallen maximal sieben bis zehn Tonnen Kompost pro Jahr auf einem Hektar auszubringen. Folglich wäre es nach dem vorliegenden Verordnungsentwurf zulässig, die Böden mit bis zu 50 kg an Glas-, Plastik- und Metallstückchen pro Jahr und Hektar zu verunreinigen. Da diese Materialien nicht abgebaut werden, würde der vorliegende Entwurf langfristig zu einer unverantwortlichen Verschmutzung von Ackerland führen, das zum Anbau von Getreide und Ölsaaten für den menschlichen Verzehr oder für Tiernahrung genutzt wird. Der BVA lehnt daher jeden Vorschlag ab, der eine Verschmutzung mit makroskopischen Verunreinigungen nicht strikt untersagt.

2.4.4 Mindestqualitätsanforderungen
Mit der Umsetzung der neuen EU-Verordnung für Düngeprodukte wird dem Anwender eine größere Produktvielfalt geboten werden. Vor dem Hintergrund der strengen nationalen Düngegesetzgebung (DüV) hält der BVA eine gleichbleibende Produktqualität für zwingend erforderlich. Die jedoch ist mit dem Entwurf der EU-Kommission nicht gegeben. Sie führt aus BVA-Sicht zu einer Absenkung der gewohnten und bewährten Qualitätsstandards bei Mineraldüngern gegenüber der bisherigen EU-Düngemittelverordnung EU/2003/2003. Dies gilt insbesondere bei den Mindestgehalten für Nährstoffe, den Toleranzen oder der Pflanzenverfügbarkeit von Nährstoffen.
Das Absenken von Mindestqualitätsanforderungen und Streichen von bewährten Düngemittel-Typenbezeichnungen wird es den Landwirten trotz umfänglicher Kennzeichnung erheblich erschweren, die Qualitätsunterschiede zu erkennen und zu. Eine konkrete Definition und Auflistung gängiger Mineraldünger im Anhang der Verordnung wäre nach Meinung des BVA zu begrüßen, um einem Missbrauch althergebrachte Typbezeichnungen wie z.B. KAS entgegenzuwirken (nach dem Kommissionsvorschlag wäre es möglich, KAS mit einem Stickstoff-Gehalt von weniger als 27 % anzubieten).