Initiative der EU-Kommission zur Verbesserung der Lebensmittel-Wertschöpfungskette

21.08.2017

Der Bundesverband der Agrargewerblichen Wirtschaft e. V. begrüßt die Möglichkeit zur „Initiative für eine Verbesserung der Lebensmittel-Wertschöpfungskette“ Stellung zu nehmen.

Der private Agrarhandel in Deutschland besteht zum größten Teil aus mittelständischen, familiengeführten Unternehmen. Aufgrund ihrer besonderen Funktion in der Wertschöpfungskette als Abnehmer (Getreide und Ölsaaten) und Lieferanten (Betriebsmittel) der Landwirtschaft, bekleiden die Agrarhandelsunternehmen eine entscheidende, vermittelnde Rolle. Die privaten Agrarhandelsunternehmen in Deutschland sind zuverlässige Partner der Landwirtschaft und unterstützen die Landwirte durch Beratung z.B. zur richtigen Sortenwahl, zum integrierten Pflanzenbau und zum umweltverträglichen Betriebsmitteleinsatz sowie mit dem Angebot einfach strukturierter Möglichkeiten zur Preisabsicherung. Der private Agrarhandel bekennt sich zu den Prinzipien der freien Marktwirtschaft und dem Grundsatz der Vertragsfreiheit. Der Markt mit seinen weitreichenden Koordinations- und Informationsfunktionen setzt starke Anreize für die Unternehmen effizient zu wirtschaften und führt somit zu einer hohen Leistungsfähigkeit der Gesamtwirtschaft und erschwinglichen Preisen für die Konsumenten.

Um die Funktion der Marktmechanismen durch eventuelle gesetzgeberische Veränderungen nicht zu beeinträchtigen, fordern wir die Kommission auf, eine ausschließlich auf wissenschaftlichen Fakten basierende Folgenabschätzung durchzuführen. Diese sollte kritisch beleuchten, ob und in welchem Maß eventuelle gesetzgeberische Veränderungen in der Lage sind, zu einer besseren Konkurrenzfähigkeit der Landwirtschaft zu führen. Zudem sollte ein eventuell geschaffener Mehrwert für die Landwirtschaft gegen das Risiko von Marktbehinderungen in der gesamten Wertschöpfungskette abgewogen werden. Um den tatsächlichen Handlungsbedarf abzuschätzen, sollte darüber hinaus das wirkliche Ausmaß und der Effekt von unfairen Handelspraktiken auf die Wettbewerbsfähigkeit und den wirtschaftlichen Erfolg von Unternehmen der Lebensmittel-Wertschöpfungskette quantitativ bewertet werden. Die Ergebnisse dieser Bewertung sollten unseres Erachtens dem Ausmaß und Effekt von bestehenden bürokratischen Hürden gegenübergestellt werden. Wir vertreten die Auffassung, dass die Vielzahl der Auflagen, Nachweispflichten und Kontrollen in der Praxis deutlich stärker zur Benachteiligung von kleinen und mittelständischen Unternehmen sowie von Landwirten beitragen und den Strukturwandel weiter beschleunigen.

Bei dem Thema darf auch nicht ausgeblendet werden, dass im europäischen Binnenmarkt die teils sehr unterschiedlichen nationalen Umsetzungen von EU-Recht zu Benachteiligungen und Wettbewerbsverzerrungen führen können. Als ein Beispiel sei hier die in der Praxis noch immer nicht erfolgreiche Harmonisierung der Pflanzenschutzmittelzulassung angeführt. Zudem ist der deutsche Erfassungshandel beispielsweise bei der Maiserfassung gegenüber dem französischen Erfassungshandel durch die dortige Stromsubventionierung und den damit niedrigeren Trocknungskosten, enorm im Nachteil.

BVA-Stellungnahme zur Initiative der EU-Kommission für eine Verbesserung der Lebensmittel-Wertschöpfungskette
Wir wertschätzen die Bestrebungen der Europäischen Kommission zur Verbesserung der Lebensmittelwertschöpfungskette. Es fällt uns jedoch schwer zu erkennen, ob die vorgeschlagenen Politikoptionen tatsächlich in der Lage sind, die Situation von kleinen und mittelständischen Unternehmen sowie von Landwirten zu verbessern. Aus unserer Sicht, gibt es innerhalb der Wertschöpfungskette andere Ansatzpunkte, die jedoch außerhalb dieser Initiative adressiert werden sollten. Dazu zählt unter anderem der Umgang mit Sekundärstandards und wie diese in der Wertschöpfungskette durchgesetzt werden.

Zu den dargelegten Zielen und politischen Maßnahmen:
(I) Unfaire Handelspraktiken
Vor dem Hintergrund, dass die überwiegende Mehrheit der EU-Mitgliedsstaaten sich mit unfairen Handelspraktiken befasst und (meist regulatorische) Maßnahmen ergriffen hat, sprechen wir uns für Option 1, die Beibehaltung des gegenwärtigen Zustandes aus. Wir sehen auch bei grenzüberschreitendem Handel keine Regulierungslücken, da sich die involvierten Parteien jeweils auf das anzuwendende nationale Gesetzt und den Gerichtsstand verständigen.
Wir können keinen Mehrwert durch eine EU-Rahmengesetzgebung (Option 3) oder einen EU-Mindestrahmen für die Gesetzgebung (Option 4) erkennen. Die Einnahmen der Landwirtschaft sind in einem globalisierten Markt für Agrarprodukte stark von der internationalen Marktdynamik, der Volatilität und der Nachfrage geprägt. In der Folgenabschätzung sollte daher wissenschaftlich untersucht werden, ob und in welchem Maß gesetzgeberische Veränderungen geeignet sind die Einnahmen der Landwirtschaft zu verbessern.

(II) Kooperationsmöglichkeiten für Landwirte
Als Ersterfasser landwirtschaftlicher Produkte, Vorlieferant für die verarbeitende Industrie und Exporteur ist der Agrarhandel täglich gefordert, Rohstoffe zum Marktpreis aufzukaufen. Der Agrarhandel hat daher Strategien entwickelt, um sich gegen die Preisschwankungen abzusichern. Dies erfolgt unter anderem durch Sicherungsgeschäfte an den Warenterminbörsen. Ziel des Engagements des Agrarhandels ist die Absicherung der Bestände gegen fallende Preise. Da die hohe Komplexität des Börsenhandels ein ausgeprägtes Know-how erfordert, bietet der Agrarhandel seinerseits der Landwirtschaft einfach strukturierte Möglichkeiten zur Preisabsicherung an.
Eine Ausdehnung des sogenannten "value-sharing-mechanism" (Wertaufteilungsklauseln) auf alle Agrarprodukte sehen wir mit Sorge, da sie die Mechanismen des Marktes stören könnten. Daher sprechen wir uns für Option 1, die Beibehaltung des gegenwärtigen Zustandes aus.

(III) Markttransparenz
Für die Zwecke der Marktbeobachtung und -berichterstattung, zur Verbesserung der Markttransparenz sowie im Hinblick auf die Ordnung der Märkte gibt der Agrarhandel bereits heute in regelmäßigen Abständen Informationen an die zuständige Behörde weiter.
Der Agrarhandel begrüßt ausdrücklich Bemühungen die Markttransparenz weiter zu verbessern. Dazu sollte die Verfügbarkeit von aktuellen, unabhängigen und verlässlichen Marktdaten zu Erzeugung, Lagerabständen, Verarbeitung und Verbrauch sichergestellt werden. Gleichzeitig ist jedoch zu beachten, dass der Aufwand der Unternehmen für die Bereitstellung der Daten möglichst gering gehalten wird. Der deutsche Agrarhandel stellt bereits heute umfangreiche Informationen u. a. zur Ernteerfassung, Ausfuhr und Saatgut bereit. Verbesserungspotential sehen wir daher insbesondere in der Datenaufbereitung und dem zeitnahen Zurückspielen der aufbereiteten Daten an die Branche.