BVA-Landesgruppentagung in Mainz
Strukturwandel fordert neue Konzepte im Agrarhandel
Über die Zukunft des Agrarhandels diskutierten 30 Teilnehmer auf der BVA-Landesgruppentagung am vergangenen Dienstag in Mainz. Die Vorsitzende, Ute Becker-Keller, gab zunächst einen Einblick in die Agrar-Strukturveränderungen der letzten Jahrzehnte. Während die Landwirtschaft in Deutschland seit Mitte der 80er Jahre um rund 100.000 Betriebe im Fünfjahresdurchschnitt absackte, reduzierte sich die Zahl der privaten Agrarhändler von gut 2.000 auf zuletzt 675. Dieser Phase des Wandels konnte der Agrarhandel im Wesentlichen durch betriebswirtschaftliche Maßnahmen begegnen, so Becker-Keller. Der Konzentrationsprozess wird sich aber weiter fortsetzen, und unter den derzeitigen Markt- und agrarpolitischen Bedingungen möglicherweise noch beschleunigen. Das bedeutet für den Agrarhandel ein weiter zunehmender Wettbewerbsdruck. Denn letztlich bringt der Strukturwandel eine Zunahme von Risiken mit sich, die sich durch geringe Margen, eine hohe Preisvolatilität und dem Wegfall einzelner Stufen der Wertschöpfungskette ergeben.
Geschäftsmodelle werden sich zukünftig noch schneller verändern
„Es geht um existentielle Herausforderungen“, stellt Becker-Keller, gleichzeitig auch BVA-Vorstandsmitglied, fest, „der Erfolg unserer Branche wird künftig stärker davon abhängen, wie flexibel der Handel auf die Veränderungen reagiert.“ Offenheit für neue Geschäftsmodelle steht im Vordergrund. Und dazu gehört auch die Zusammenarbeit mit anderen Agrarhandelsbetrieben, die in Rheinland-Pfalz etwa über die Proland-Gruppe bereits seit einigen Jahren gelebt wird. „Ich wage die These, dass die Veränderung der Geschäftsmodelle auch auf Grund eines schnelleren und alle erreichenden Informationsaustausches schneller voran gehen wird, als der Strukturwandel in den letzten 30 Jahren.“
Durch die Veränderungen ist ein zunehmender Verlust der traditionellen Bindung zwischen Agrarhandel und Landwirtschaft zu beobachten. „Die Entscheidung für einen Handelspartner wird oft nur noch allein über den Preis getroffen“, stellt Becker-Keller fest. Dennoch sieht Adolf Dahlem, Vorsitzender des Ausschusses Pflanzenbau und Nachwachsende Rohstoffe der Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz, eine enge Zusammenarbeit und Kommunikation zwischen Landwirtschaft und Agrarhandel als Schlüssel zum Erfolg. „Die Landwirte sind auf leistungsfähige und zuverlässige Marktpartner wie den Agrarhandel angewiesen.“ Der entscheidende „Produktionsfaktor der Zukunft“ sei dabei die Kommunikation. Für die Vermittlung von Informationen an den Landwirt werden die neuen Medien dabei eine entscheidende Rolle einnehmen.
Chancen für den Binnenmarkt
Die rheinland-pfälzische Ministerin für Umwelt und Landwirtschaft, Ulrike Höfken, sieht den Agrarhandel als wichtiges Bindeglied zwischen der Landwirtschaft und der weiterverarbeitenden Industrie. Sie sieht gleichwohl eine sich weiter abzeichnende Konzentration: „Wir stehen an einer Schwelle und müssen dabei unbedingt die Entwicklung der mittelständischen Wirtschaft im Blick behalten.“ Darunter versteht Höfken die gesunde Entwicklung des Agrarhandels als v.a. auch die der landwirtschaftlichen Strukturen: „Die derzeitigen zu erhalten, ist eine Herausforderung, aber dringend notwendig.“ Die Ministerin sieht die Agrarwirtschaft durchaus im globalen Zusammenhang und nannte Stichworte wie Bevölkerungswachstum, die bedrohliche Abnahme von Ackerflächen weltweit, Wasserknappheit, globale Ernährungssicherung. Andererseits machte sie auch auf die Umweltprobleme wie Nitratbelastung und Pflanzenschutzrückstände im Grundwasser aufmerksam, die die hiesige Agrarwirtschaft in den Griff bekommen müsse.
Den Export in Drittländer sieht Höfken nicht als den alleinigen Weg zur Entspannung der derzeitigen Marktsituation. Vielmehr sieht sie auf dem EU-Binnenmarkt durchaus noch Chancen, denn der sei nach ihrer Meinung teilweise vernachlässigt worden. Oberstes Ziel der Ministerin ist eine gute mittelständische Struktur im Agrarbereich.